Wohlfahrtsverbände sehen neue Not am Arbeitsmarkt


Sie sind eine oft übersehene Gruppe am Arbeitsmarkt und gehören in der Pandemie zu den großen Verlierern: die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist nach 14 Monaten Corona-Krise sprunghaft angestiegen. „Wir dürfen diese Menschen nicht im Stich lassen, wenn die Konjunktur bald wieder anzieht“, mahnt Andreas Fateh, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (AGW) im Kreis Kleve. Sonst drohe ein neuer Sockeleffekt einer sich verfestigenden Langzeitarbeitslosigkeit.

Im Vergleich zum Mai 2020 ist in der NRW die Zahl der Langzeitarbeitslosen um 28 Prozent auf über 335.000 Personen gestiegen. Das zeigt der aktuelle Arbeitslosenreport der Freien Wohlfahrtspflege NRW. Als langzeitarbeitslos gelten nach der Statistik Personen, die länger als 12 Monate arbeitslos gemeldet sind. „Aus der Langzeitarbeitslosigkeit in die Erwerbsarbeit einzusteigen, ist seit Ausbruch der Corona-Pandemie noch schwieriger geworden“, sagt der der Vorsitzende der AGW im Kreis Kleve. Selbst Unternehmen, die nicht direkt vom Lockdown betroffen seien, hätten in wirtschaftlich unsicheren Zeiten kaum Spielraum für Neueinstellungen gehabt. „Wer arbeitslos wurde, fand wegen Corona nicht so schnell einen neuen Job und deswegen sind mehr Arbeitslose als früher nun in die Langzeitarbeitslosigkeit abgeglitten.“ Fateh fordert die schnelle und gezielte Unterstützung Langzeitarbeitsloser mit Angeboten der Beratung, Qualifizierung und öffentlich geförderter Beschäftigung. „Wir müssen alles tun, um jetzt den drohenden Sockeleffekt zu verhindern, der eintritt, wenn bestimmte Personengruppen am Ende nicht mehr aus der Arbeitslosigkeit herauskommen, weil der konventionelle Arbeitsmarkt mit jedem weiteren Jahr ihrer Langzeitarbeitslosigkeit immer weniger bereit ist, sie zu integrieren.“

Neu und die Situation verschärfend wirkt aktuell, dass mehr und mehr Menschen als langzeitarbeitslos in der Statistik auftauchen, die aufgrund der Krise ihre Arbeit verloren oder den Einstieg in Arbeit nicht geschafft haben. Im März 2020, zu Beginn der Corona-Krise, waren im Kreis Kleve 1194 Personen zwischen 12-24 Monaten arbeitslos. Heute, nach über einem Jahr Pandemie, sind es 1778 Personen. Das entspricht einer Steigerung von 48,9 %.

Andreas Fateh: „Wir müssen jetzt aktiv handeln! Es wäre fahrlässig und naiv, allein darauf zu vertrauen, dass demnächst die Konjunktur wieder anspringt und die neuen Langzeitarbeitslosen schon irgendwie wieder in Arbeit kommen. Das Gegenteil ist der Fall: Langzeitarbeitslose werden dann am Markt in ungewollter Konkurrenz zu zahlreichen anderen Personen stehen, die aus Schule, Ausbildung, Studium oder aus der Kurzzeitarbeitslosigkeit in eine Arbeitsstelle wollen – und haben da im Allgemeinen das Nachsehen.“

Die Freie Wohlfahrtspflege fordert neben beruflicher Weiterqualifizierung verstärkt Coaching und psycho-soziale Beratung sowie niedrigschwellige offene Beratungs- und Begegnungsangebote im Sozialraum. „Die Beratungsstellen Arbeit in NRW sind beispielsweise gerade jetzt enorm wichtig, damit Langzeitarbeitslose in ihrer schwierigen Situation Ermutigung, Unterstützung und den solidarischen Rückhalt der Gesamtgesellschaft erfahren können“, so Fateh.

Der Arbeitslosenreport der Wohlfahrtsverbände belegt, dass im Mai 2021 in NRW vor allem Personen ohne Schulabschluss (im Kreis Kleve 38,1 %) oder mit Hauptschulabschluss (im Kreis Kleve 39,2 %) am stärksten von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind.

Warnung vor einer „Generation Corona“

Schaut man auf das Alter der Langzeitarbeitslosen, fällt auf, dass der stärkste Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit bei jüngeren und jüngsten Altersgruppen zu verzeichnen ist. Im Mai 2021 waren im Kreis Kleve 148 Personen im Alter zwischen 15 und unter 25 Jahren und 857 Personen zwischen 25 und unter 35 Jahren bereits ein Jahr oder länger arbeitslos. „Diese Zahlen beunruhigen mich zutiefst“, sagt der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege im Kreis Kleve, Andreas Fateh und warnt vor einer „Generation Corona“. Gerade in diesen Altersgruppen könne man viel erreichen mit Bildungsberatung, Bildungsbegleitung und einer Art „Bildungsbonus“ für die, die sich beruflich neu orientieren und eine längere Qualifizierung absolvieren wollen.“

Hintergrund:

Die Wohlfahrtsverbände in NRW veröffentlichen mehrmals jährlich den „Arbeitslosenreport NRW“. Basis sind Daten der offiziellen Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Hinzu kommen Kennzahlen zu Unterbeschäftigung, Langzeitarbeitslosigkeit und zur Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften, um längerfristige Entwicklungen sichtbar zu machen. Der Arbeitslosenreport NRW sowie übersichtliche Datenblätter mit regionalen Zahlen können im Internet unter www.arbeitslosenreport-nrw.de heruntergeladen werden. Der Arbeitslosenreport NRW ist ein Kooperationsprojekt der Freien Wohlfahrtspflege NRW mit dem Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen.

Die Verbände der freien Wohlfahrtspflege haben sich in der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände im Kreis Kleve zusammengeschlossen. Gemeinsames Ziel der Arbeit ist die Weiterentwicklung der sozialen Arbeit und die Sicherung bestehender Angebote im Kreis Kleve. Die Wohlfahrtsverbände bieten mit ihrem breiten Spektrum an Einrichtungen und Diensten vielen Menschen Unterstützung und Hilfe – für Kinder, Jugendliche und Familien, für Senior*innen, für von Armut Betroffene, für Menschen mit Behinderungen und Pflegebedürftige, für Menschen mit Flucht-und Migrationshintergrund, junge Menschen ohne Ausbildung und Langzeitarbeitslose.

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