Christin Becker (SPD) beim Betreuungsverein

vlnr: Helma Bertgen, Joachim Wolff, Annette Schmitz, Christin Becker, Jürgen Graven, Albert Büsen

Goch. Trotz großer Bemühungen des Diakonie-Betreuungsvereins ist die Refinanzierung der Arbeit mit ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern, einer staatlichen Aufgabe, noch nicht zufriedenstellend. Warum der Staat im Endeffekt bei einer erhöhten Refinanzierung trotzdem sparen würde, erläuterten Diakonie-Mitarbeitende und ehrenamtliche Betreuer der SPD-Kandidatin für den Landtag, Christin Becker. Sie hatte um das Gespräch gebeten, um sich über diesen Teil der sozialen Arbeit des Wohlfahrtsverbandes zu informieren.

Das Gesetz räumt der ehrenamtlichen Betreuung Vorrang vor der beruflichen Betreuung ein. „Dann sollte die Arbeit derer, die ehrenamtliche Betreuer beraten, begleiten und fortbilden auch besser refinanziert werden“, so Diakonie-Geschäftsführer Joachim Wolff. Bislang würde die Arbeit des Betreuungsvereins nur durch erheblichen Einsatz von Kirchensteuern aufrechterhalten. Wer die Demographie betrachtet, es werden perspektivisch mehr Menschen Betreuung benötigen.

Ehrenamtliche Betreuungen sind für den Staat günstiger und Betreuerinnen und Betreuer haben mehr Zeit als ein beruflicher Betreuer sie hat. Er oder sie bringt zwar meist mehr Expertise ein, führt aber bis zu 50 Betreuungen gleichzeitig. „Der Betreuungsverein sorgt für eine Atmosphäre, in der seine Mitglieder – ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer - sich wohlfühlen“, umschreibt Albert Büsen, Koordinator des Betreuungsvereins die Arbeit seiner fünf Kolleginnen und Kollegen. „Betreuer, die sich gut informiert und der verantwortlichen Aufgabe gewachsen fühlen, üben sie langfristig aus“, so die Erfahrung von Betreuerin Helma Bertgen. Viele Betreuungsvereine am Niederrhein sind in den vergangenen Jahren geschlossen worden. Für den Betreuungsverein in Goch zahlen sich hingegen Kontinuität der Mitarbeitenden und ihre Wertschätzung den Ehrenamtlichen gegenüber aus.

„Ich habe einem hoch verschuldeten Betreuten Lebensqualität zurückgegeben“, berichtete Annette Schmitz, ehrenamtliche Betreuerin aus Goch. Dieser wie auch einer der Betreuten von Jürgen Graven aus Louisendorf danken zwar nicht persönlich für das Engagement. Zu sehen, wie sich jemand über den Besuch freut und positiv entwickelt, sei Dank genug, sagen beide. Als sie gesehen habe, wie viele Menschen im Alter alleine sind und Hilfe benötigen, habe sie sich für das Ehrenamt entschieden“, so Schmitz. Traurig und wütend reagieren die ehrenamtlichen Betreuer, wenn sie von Angestellten im Bereich von Justiz oder Medizin, im Wohnumfeld oder an Arbeitsstätten als „Stolpersteine“ gesehen werden. „Wir fordern doch nur das ein, was unseren Betreuten zusteht.“ Die Betreuung endet mit dem Tod eines Betreuten, seine Würde nicht: ein Satz, der nicht überall gelebt würde, beklagten die Betreuer. Auch sei das Wissen um die Rechte und Pflichten von rechtlichen Betreuern (ehrenamtlich oder beruflich) an manchen Stellen überraschend dürftig. Die Politik sei nun gefragt, wie die Gesellschaft in Zukunft mit alleinstehenden Menschen umgeht, die sich alleine nicht helfen können und denen familiär keiner zur Seite steht. Christin Becker dankte für die eindrücklichen Erfahrungsberichte, die sie in ihre politische Arbeit mitnehmen möchte.

Info

Im Kreis Kleve sind derzeit 5.400 Betreuungen vom Amtsgericht eingerichtet. Davon werden 3.200 ehrenamtlich geführt. Der Betreuungsverein der Diakonie im Kirchenkreis Kleve ist mit 600 Mitgliedern der größte im Bereich der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe. 60 Prozent der Mitglieder betreuen einen Angehörigen, 40 Prozent der Betreuungen übernehmen Menschen aus sozialem Engagement heraus. Das jüngste Mitglied ist ein 24-jähriger syrischer Flüchtling, das älteste eine 92-jährige Frau, die ihren geistig behinderten Sohn betreut.

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