Beratung und Prävention brauchen mehr Geld

Bei der anschließenden Diskussion im Haus der Diakonie Geldern

Geldern. Bei der Diakonie in Geldern war Burkhard Blienert, Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung zu Gast. Lars Aengenvoort, Landtagskandidat der SPD für den Süden des Kreises Kleve, moderierte die Diskussion, an der weitere Mitglieder der SPD-Fraktion, Fachbereichsleitungen der Diakonie und Pressevertreter teilnahmen.

Die Herausforderungen sind riesig: Coronabedingt ist die Chance, dass junge Menschen Mediensucht entwickeln, gestiegen. Der Alkoholkonsum Erwachsener hat sich während Corona von der Öffentlichkeit mehr und mehr ins Private verlagert. Spielsucht an Computern oder in Spielhallen sind ein großes Problem, wegbrechende Bindungen im sozialen Umfeld von Menschen ebenso. „Das Schmuddelimage, was das gesamte Thema Sucht noch in den 90er Jahren anhaftete, ist inzwischen zum Glück ein anderes“, sagt Blienert. Die Politik müsse jedoch immer auch für den Stand der fachlichen Diskussionen Interesse zeigen.

Alkoholsucht entwickeln Menschen aus allen Schichten. Ob nun Billigschnaps von der Tankstelle oder hochpreisiger Wein oder Likör, das Suchtpotential bleibt das gleiche. „Wir müssen alles im Blick behalten“, so Blienert. „Auch rund um Fußballübertragungen im TV scheint es nur noch Werbung für Wettbüros und Biermarken zu geben“. Ein ständiges Problem seien auch die Spielhallen. Durch deren Einkünfte, an denen der Staat kräftig mitverdient, habe eine stärkere Regulierung allerdings derzeit wenig Aussicht auf Erfolg. „Als Drogenbeauftragter kann ich zwar Dinge anstoßen, Gesetze erlasse ich jedoch nicht“, erklärte Blienert.

In die Schlagzeilen geriet der Bundesdrogenbeauftragte mit der geplanten Legalisierung von Cannabis. An zugelassenen Orten und an Erwachsene soll die Droge, quasi wie Bier oder Wein, demnächst verkauft werden können. Einerseits lassen Erfahrungen in anderen Ländern den Drogenbeauftragten hoffen, dass es nach Legalisierung zu keinem erhöhten Konsum kommt, der nun ohnehin stattfände. Andererseits plädierte er dafür, Teile der durch den Verkauf eingenommen Steuern der Prävention zugutekommen zu lassen. Bis es zur Legalisierung kommt, müsse noch einiges an Kommuikationsarbeit geleistet werden. Das Verhältnis Befürworter und Gegner der Legalisierung würde noch 50/50 betragen, so Blienert.

"Schon jetzt arbeiten wir am Anschlag“, reagierte Petra van Bergen, Fachbereichsleitung der Sozialen Dienste, worunter die Suchtberatung und Prävention fallen. Problem sei die Refinanzierung der staatlichen Aufgabe, die häufig Deckelungen beinhalte. Das rund ein Drittel der Kosten die Diakonie pro Jahr zuschießt, könne nicht so weitergehen. „Wir möchten im September anfragenden Schulen nicht sagen, das Präventionsprojekt kann erst im kommenden Jahr stattfinden“, so van Bergen. Der Bedarf sei größer, als sie zurzeit bewältigen könnten. „Da braucht es ein stärkeres Bewusstsein auf allen Ebenen, Bund, Land und Kommunen für diese Arbeit“, so Blienert.

Seit Jahren ist die Frage offen, wer im Südkreis Geldern substituiert“, sprach Dirk Boermann, Fachbereichsleitung des Ambulant Betreuten Wohnens ein weiteres Problem an. Einen Arzt in Geldern gäbe es noch, wie lange er das Angebot aufrechterhält, sei die Frage. „Schon jetzt ist es für rund 30 Menschen ein beschwerlicher Weg, den sie immer in Richtung Kleve gehen müssen."

Burkhard Blienert (2017) (c) wikipedia CC-SA 4.0 International

Der Sucht- und Drogenbeauftragte

Burkhard Blienert, geboren am 30. März 1966 in Braubach (Rheinland-Pfalz), verheiratet, zwei Kinder, ist seit dem 12.1.2022 Sucht- und Drogenbeauftragter der Bundesregierung (offiziell: Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen). Blienert beschäftigt sich seit etwa zehn Jahren intensiv mit Fragen der Drogen- und Suchtpolitik. In der 18. Wahlperiode (2013-2017) war er Mitglied des Deutschen Bundestages und vertrat seine Fraktion als ordentliches Mitglied im Ausschuss für Gesundheit, im Ausschuss für Kultur und Medien sowie im Haushaltsausschuss. Blienert war während dieser Zeit Berichterstatter seiner Fraktion für Drogen- und Suchtfragen. Zwischenzeitlich arbeitete er auch für die AOK Rheinland/Hamburg.

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