Landtagskandidaten stellten sich den Fragen

Kreis Kleve. Zwei Wochen vor der Landtagswahl konnten sich Besucherinnen und Besucher des Podiums im Weezer Bürgerhaus selbst ein Bild machen. Kandidatinnen und Kandidaten, die seit Wochen auf Plakaten für Person und Partei werben, präsentierten am Dienstag ihre Ideen für eine mögliche Wahl in den Landtag. Antenne-Moderator Oliver Drucks leitete durch die Veranstaltung, zu der die Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände im Kreis Kleve Kandidaten der CDU, SPD, FDP, Bündnis90/Grüne, Die Linke und der Freien Wähler aus Nord- und Südkreis Kleve eingeladen hatten.

„Die Wohlfahrtsverbände begleiten Menschen von jungen Jahren an bis ins hohe Alter“, begann Drucks, „eine Gesellschaft ohne sie ist nicht denkbar“. Sie beraten, helfen und unterstützen: Kinder, Familien, Ratsuchende in vielfältigen Problemsituationen, Menschen mit Behinderung oder psychischen Problemen, ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer, Pflegebedürftige und Angehörige. Jungen Menschen bieten die Verbände Freiwilligendienste an.

Eines der Themen am Abend war die Kita-Finanzierung und Eigenanteile der Träger. Wie im Pflegebereich herrscht in Kindertagesstätten Fachkräftemangel. Rahmenbedingungen, ausufernde Dokumentationspflichten, viel Verantwortung sind Ursachen hier wie dort. „Wir brauchen Flexibilität der Träger, weil sie von den Eltern als Arbeitnehmer auch eingefordert wird“, kommentierten Dr. Günther Bergmann und Stephan Wolters (CDU). Das müssten Träger und auch die Politik selbst einsehen. Ein Elterngespräch und die Dokumentation sei für alle Kinder gleich zeitaufwändig, das berücksichtige die Refinanzierung nach 25, 35 oder 45 Stundenkontingenten jedoch nur unzureichend, lautete eine Kritik.

„Personalengpässe in Kitas könnten durch Tagesmütter aufgefangen werden“, warf Paula Backhaus (Bündnis90/Grüne) ein. Christin Becker (SPD) forderte gleiche Bildungschancen für alle, unabhängig der Herkunft. Norbert Hayduk (Linke) kritisierte die Regierungsparteien, die seiner Ansicht nach ab der Einführung des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) ein „Reförmchen“ nach dem anderen produziert hätten. Stephan Haupt (FDP) betonte die Bedeutung der Praxisanbindung im Rahmen der Ausbildung und gute Erfahrungen mit der praxisintegrierten Ausbildung (PIA). Die Rahmenbedingungen für Erzieherinnen und Erzieher sollten verbessert werden, war sich das Podium einig. Eine weitere Idee - Kitakaufleute/Verwaltungskräfte könnten Erzieher*innen von Verwaltungstätigkeiten entlasten – kosten jedoch auch zusätzliches Geld.

Ein vernünftiges Gesetz, das den Offenen Ganztag (OGS) regelt, wäre ein Wunsch der Wohlfahrtsverbände und auch von Lars Aengenvoort (SPD). Es dürfe nicht von der Kommune abhängen, wie viel Zuschüsse zusätzlich in den OGS gesteckt werden. Auch bei Kindertagesstätten sind der Eigenanteil von Trägern sowie freiwillige Zuschüsse kommunal unterschiedlich. 2026 besteht ein Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz, Träger wissen heute noch nicht, wie sie das stemmen sollen.  Stigmatisierungen „armer“ Kinder, Ausbau der Räumlichkeiten, Mitnutzung von Schulräumen durch Betreuungsangebote waren weitere Themen. „Corona war ein Booster, was die Digitalisierung angeht“, so Bergmann (CDU) auch hinsichtlich der 1,3 Milliarden, welche die öffentliche Hand an Fördermitteln zusätzlich für den Bildungsbereich bereitgestellt habe.

„Nach Corona dürfen keine Kinder auf der Strecke bleiben“, wünschen sich die Wohlfahrtsverbände. Weniger sind es Bildungsrückstände, viel eklatanter und langfristig problematisch seien fehlende Übung im Sozial-, Bindungs- und Konfliktverhalten. „Das ist nicht mit einer Ferienfreizeit aufgeholt“, mahnen die Verbände.

Enormer Druck liegt auf dem Pflegemarkt und dem dortigen Fachkräftemangel. Obwohl die Ausbildung seit wenigen Jahren kostenlos ist, entscheiden sich immer noch zu wenige für diesen Beruf, beschrieb Moderator Drucks die Situation. Studien zeigen, dass vor allem die Rahmenbedingungen (Stress, Schicht- und Wochenend-Dienste) abschrecken. Die Wohlfahrtsverbände plagt noch ein ganz anderes Problem: Zeitarbeitsfirmen vermitteln benötigte Ersatz-Kräfte zu immens hohen Preisen und gegebenenfalls nur für „beliebte“ Schichtzeiten. Auf diesen Ersatz sind Verbände bei dünner Personaldecke gerade in Corona-Zeiten angewiesen, er sprengt aber jedwede Kostenkalkulation.

Für die Freien Wähler stand Lutz Kühnen auf dem Podium Rede und Antwort. Er wünschte sich, dass Energie mehr wertgeschätzt wird: „Wir erleben gerade, dass Energie teuer und nicht mehr selbstverständlich ist. Im Winter müssen Wohnzimmer allerdings auch keine T-Shirt Temperatur haben“, gab er zu bedenken.

Hilfe unter anderem der Wohlfahrtsverbände wird gefragt sein, wenn ukrainische Flüchtlinge aus der Vorfinanzierung fallen und ab 1. Juli ganz regelkonform Hilfen aus dem SGB II beantragen wollen – der Antrag ist 24 Seiten lang. Mehr Kreativität auch bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse sei gefragt. Diese Kreativität wünschten sich Paula Backhaus und Dr. Volkhard Wille (Bündnis 90/Grüne) auch beim Thema Wohnungsnotstand. „Es gibt viele einsame Menschen, die alleinstehend in einem großen Haus leben und andererseits Familien, die keinen adäquaten, bezahlbaren Wohnraum finden.“ Bau-Investoren bräuchten mehr Planungssicherheit, ergänzte Bergmann (CDU). Denn was heute geplant wird, kann morgen doppelt so teuer sein. Es bleibt viel zu tun für die Politik nach der Wahl, denn viele Dinge, gerade im sozialen Bereich, regelt der Markt nicht von alleine.

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