Leidenschaft oder Sucht: Fachtagung

Prof. Dr. Matthias Brand

Kevelaer. Sind wir nicht alle ein bisschen süchtig? Die Titel-Frage der Fachtagung des Arbeitskreises Suchtvorbeugung im Kreis Kleve kann wohl jeder positiv beantworten. Egal ob an die Zigarette, das Feierabend-Bier, die Schokolade, das PC-Spiel, soziale Medien oder sportliche Aktivitäten gedacht wird. Der „Hausherr“ im Bühnenhaus, Kevelaers Bürgermeister Dr. Dominik Pichler gab zu, den Kaffee morgens zu brauchen – aber ist das schon Sucht? Die Schirmherrin der Fachtagung, Landrätin Silke Gorißen dankte den anwesende Fachkräften von Verbänden, Kommunen und Einrichtungen für ihren Einsatz in der Suchtvorbeugung. Sie setzt idealerweise bereits im Kindesalter an. Für den einladenden Arbeitskreis begrüßten Stephan Gnoß (Diakonie im Kirchenkreis Kleve) und Jennifer Dellnitz (Caritasverband Kleve) den Hauptreferenten, Prof. Dr. Matthias Brand (Universität Duisburg-Essen).

„Ganz klar nein“, meinte dieser auf die Eingangsfrage. In seinem Impulsvortrag im Bühnenhaus machte Brand den 60 Teilnehmenden deutlich, wann „Sucht“ als klinische Diagnose gestellt werden könne. Solange Menschen ihre Aufgaben in Familie, Schule oder Beruf, ihre sozialen Kontakte gut händeln und nicht vernachlässigen, sei kein Risiko gegeben. Ein Jugendlicher, der bei guten schulischen Leistungen 5 Stunden am Tag „zockt“ sei weniger problematisch als ein Familienvater, der 3 Stunden spielt und dabei den nebenan schreienden Säugling ignoriere.

Den Übergang von „Leidenschaft für etwas“ zu einer „Spiel-Sucht“ ist an drei Kriterien fest zu machen:

- Beeinträchtigte Kontrolle über das Spielen (Anfang, Häufigkeit, Intensität, Dauer, Zeitpunkt, Kontext)

- Steigende Wichtigkeit des Spielens im Vergleich zu anderen Aktivitäten des Alltags

- Fortsetzung trotz negativer Konsequenzen

Brand berichtete von der Entscheidung der Weltgesundheitsbehörde (WHO) Spielsucht (gaming disorder) als Krankheit anzuerkennen. „Das ist sinnvoll und richtig“, so Brand, um Spielsüchtigen den Zugang zum Hilfesystem zu ermöglichen. In Diagrammen und Schaubildern zeigte er den Teilnehmenden das Zusammenspiel von limbischem System (Belohnung) und seitlichem Stirnhirn (Selbstkontrolle). Dauerhaft eingeschränkte Selbstkontrolle führe zu Suchtverhalten, selbst wenn Menschen sich damit schaden. Die biochemischen Prozesse in unserem Gehirn seien bei stoffgebundener Sucht (Alkohol, Nikotin, Fett, Zucker, Kokain etc.) und stoffungebundener Sucht (Spielsucht, Kaufsucht, Mediensucht etc.) sogar ähnlich.

Während vier Workshops vormittags und nachmittags vertieften die Anwesenden ihr Wissen.

Eigener Umgang mit Medien (Maren Haukes-Kamman, Frauenberatungsstelle Impuls) (Workshop 1)

Glücksspielsucht (Arne Rüger, Landesfachstelle Glücksspielsucht NRW) (Workshop 2)

Resilienz, wie Sie das Immunsystem Ihrer Seele stärken (Iris Opitz, Konfliktberatungsstelle Düsseldorf) (Workshop 3)

Kriterien für Sucht am Beispiel alltäglichen Verhaltens (Marie Laakmann und Jens Carstensen Beratungsstelle für Suchtfragen Caritasverband Kleve) (Workshop 4)

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