Ist Menschenwürde abschiebbar?

Freuten sich auf die Lesung: Barbara Kleinpaß, Sebastian Nitschke und Heike Pullich-Stöffken

Xanten. Es ist wohl ein Thema, bei dem viele nicht hinsehen: Abschiebegefängnisse in Deutschland. Auf Einladung des Arbeitskreises Asyl und der Diakonie-Flüchtlingsberatung in Xanten las Sebastian Nitschke aus seinem im Sommer 2021 erschienenen Buch: „Menschenwürde ist abschiebbar.“ Die Co-Autorin heißt Lina Droste.

Im März 2018 wurde in Darmstadt ein Abschiebegefängnis gebaut, Grund für den damals 28-jährigen Sebastian Nitschke, Student der Sozialen Arbeit, sich mit dem Thema intensiv zu beschäftigen.

Im Gemeindehaus zitierte er aus einem Interview mit einem als „I 3“ anonymisierten Flüchtling. Dieser kam mit allen möglichen Hoffnungen nach Deutschland, wollte sich integrieren, die Sprache lernen. „Er bekam er nur Steine in den Weg gelegt“, so Nitschke. Die einzelnen Entscheidungen der Ausländerbehörde sieht er im Zusammenhang als systematische Diskriminierung. „Amtsgerichte würden sich zudem häufig kein eigenes Urteil bilden, sondern die Worte der Ausländerbehörden fraglos übernehmen“, so Nitschkes Kritik. Der Marokkaner „I 3“ durfte nicht arbeiten, auch keine Ausbildung machen. Aus lauter Not flüchtete er erneut - in die Niederlande. Auch dort wollte man ihn nicht und hat ihn von Amsterdam zurück nach Deutschland überstellt. Zynisch sei, wenn man einem Flüchtling die Flucht vorwirft, so Nitschke. Denn von Frankfurt aus ging es in die Abschiebehaft nach Darmstadt. Marokko gilt als sicherer Drittstaat, Flüchtlinge von dort werden nicht anerkannt. „In Marokko herrscht ein diktatorischer König, wer ihn oder den Islam beleidigt, hat hohe Strafen zu erwarten, Homosexuelle fürchten die Todesstrafe“ ergänzte Nitschke dazu.

Es gibt in Nordrhein-Westfalen ein Abschiebegefängnis in Büren bei Detmold, im tiefsten Ostwestfalen. „In Abschiebehaft kommen Menschen, die sich der Abschiebung widersetzen könnten und zum Beispiel der Gesundheitszustand die Abschiebung nicht ermöglicht“, definierte Nitschke zu Anfang der Lesung. Die Gründe warum Menschen in Abschiebehaft kämen, würden je nach politischem Zeitgeist definiert. Die Abschiebehaft gibt es bereits seit 103 Jahren. 1920 wurde in Ingolstadt das erste Abschiebegefängnis in Betrieb genommen. In Bayern wollte man Ende Oktober 1938 während der sogenannten „Polenaktion“ vor allem polnische Juden „abschieben“. „In den 1990er Jahren erinnerte man sich der Methode ´Abschiebehaft´ und baute neue Gefängnisse“, berichtet Nitschke. 2014 wurde die Abschiebehaft hingegen fast wieder abgeschafft. Der Europäische Gerichtshof urteilte, die Unterbringung von Asylbewerbern in gewöhnlichen Gefängnissen sei nicht mit den EU-Richtlinien vereinbar. 10 von 16 Bundesländern hatten zum Zeitpunkt der Klage keine eigenen Abschiebegefängnisse vorgehalten.

„Es dürfte überhaupt keine Abschiebehaft geben, denn sie ist zutiefst unmenschlich“, so Nitschke während seiner insgesamt 42. Lesung des Buches. Denn sie bedeute, Menschen werden in ein Gefängnis gesteckt, obwohl sie eigentlich vor Diskriminierung, einer Todesstrafe oder Folter geflohen sind. „Eine Haft im Gefängnis sollte etwas für Kriminelle sein“, findet Nitschke. Flüchtlinge kämen mit dem Gedanken nach Deutschland, hier politische Freiheit genießen zu können.

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sagt in Artikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Zurück