Kandidaten für den Bundestag stellten sich in Geldern vor

Foto vlnr: Klapdor, Hendricks, Thielmann, Rouenhoff, Niemann, Jöbkes


Fünf Bundestagskandidaten für den Kreis Kleve stellten sich am vergangenen Freitag vielen Fragen. Der Einladung vom Kirchenkreis, dem Kreiskomitee der Katholiken sowie von Diakonie und Caritas waren die Kandidatin der SPD, Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks und die Kandidaten Stefan Rouenhoff (CDU), Prof. Dr. Ralf Klapdor (FDP), Bruno Jöbkes (Bündnis 90/Die Grünen) und Ferdinand Niemann (Die Linke) gefolgt . Sie saßen im ev. Gemeindezentrum Geldern 100 interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern gegenüber. Die Politiker bekamen ausreichend Zeit, um auf die Fragen von Moderator Wolfgang Thielmann zu antworten. Vielleicht darum fielen sich die Diskutanten gegenseitig kaum ins Wort, eine angenehme Erfahrung.

Die mehr als zwei Stunden waren in drei Blöcke eingeteilt. Im ersten stellten die Politiker ihre Berührungspunkte mit sozialen Fragen dar, im zweiten antworten sie auf Fragen von Diakonie und Caritas, im dritten gab es für das Publikum Gelegenheit, eigene Fragen zu stellen.

Wohnungsnot
Einig war sich das Podium darüber, dass der Wohnungsmarkt entlastet werden muss. Der Weg dorthin wurde unterschiedlich skizziert: Klapdor meinte, dass der private Sektor durch Bau von mehr Eigentumswohnungen die Situation entspannen könne. Andere sahen mehr die Notwendigkeit, in den sozialen Wohnungsbau zu investieren. Alle sprachen sich dafür aus, die Durchmischung der Wohngegenden mit verschiedenen sozialen Klientels weiter zu unterstützen. „Wenn gesagt wird, sozialer Wohnungsbau oder Flüchtlingsunterkünfte machen das Viertel schlecht, ist das menschenverachtend", so Hendricks. Aus eigener Erfahrung als Student in Kleve erzählte Niemann, wie schwierig es ist, eine Wohnung zu bekommen: „Es wird teilweise den Studenten in Kleve die Schuld für die Wohnungsnot gegeben", kritisierte er. Für die Diakonie hatte dem Podium Dirk Boermann, Fachbereichsleiter des Ambulant Betreuten Wohnens, berichtet, wie schwer es ist für Menschen mit Behinderung oder sozialen Schwierigkeiten ist, eine adäquate Wohnung zu finden.

Flüchtlinge und Integration
Familiennachzug von Flüchtlingen, das Podium argumentierte nach der Frage von Gerrit Hermans (Caritas) unterschiedlich: Hendricks, Jöbkes und Niemann machten sich dafür stark, Familiennachzug zu gewähren, weil: „Menschen, die um das Leben ihrer Angehörigen bangen müssen, können Integration nur eingeschränkt leisten". FDP-Kandidat Klapdor setzte sich dafür ein, dass Flüchtlinge, egal welchen Status sie haben, direkt vom ersten Tag an arbeiten und Sprachkurse belegen dürfen. Rouenhoff hingegen will den gesellschaftlichen Konsens nicht aufs Spiel setzen und würde darum eher für eine Aussetzung des Nachzugs von Angehörigen plädieren. „Auch wenn das natürlich nicht schön ist". Ein kommunales Integrationszentrum im Kreis Kleve scheiterte bisher am politischen Willen.

Älterwerden
Pflege und Älterwerden, ein großer Themenblock am Abend, endete mit vielen Absichtserklärungen, jedoch wenig Konkretem. Das Problem ist jedoch allen deutlich: In Deutschland fehlen schon jetzt Pflegekräfte, bei einer rasant alternden Gesellschaft und keinem Plan, wie und wer das alles in Zukunft finanzieren soll. Man müsse mehr für den Beruf werben, äußerte sich das Podium nach entsprechender Frage vom stellvertretenden Pflegedienstleiter der Diakonie, Jörg Schlonsok. Entscheidender Anreiz sei neben der Wertschätzung eben auch die Bezahlung. „Berufe, in denen mit Dingen gearbeitet wird, sind komischerweise immer besser bezahlt als Berufe, in denen mit Menschen gearbeitet wird", warf Hendricks ein. Ein Tarifvertrag, der für alle Pflegeberufe gelte, könne Transparenz in die Pflegelandschaft bringen, war eine Idee. „Der existierende Pflegemindestlohn liegt nicht wesentlich höher als der allgemeine Mindestlohn", so Hendricks. Ähnlich dem Handwerk (Lehrling, Geselle, Meister) solle es Karriere- Perspektiven im Pflegeberuf geben, schlug Klapdor vor.

Fragen aus dem Publikum
Sie thematisierten unter anderem den Verkauf von Brennstäben. „Wir haben uns an die geltende Rechtsauffassung zu halten", so die zuständige Umweltministerin Hendricks. Das sei auch die Meinung der Kanzlerin: „In Europa müssen Wirtschaftsgüter frei handelbar sein." „Wenn wir uns jedoch entschlössen, die Aufbereitungsanlagen in Gronau und Lingen nicht mehr zu betreiben, könnten wir auch nichts mehr exportieren", mutmaßte Hendricks. Das würde jedoch nicht das Problem der als unsicher vermuteten Atomkraftwerke in Belgien lösen, denn Belgien könne sich die Brennstäbe dann eben in Frankreich besorgen. Auf die Verteilung von Jodtabletten im Aachener Raum angesprochen: das verunsichert die Bevölkerung mehr als das es hilft. „Für den Ernstfall müssen die Behörden ohnehin Tabletten vorhalten, im großen Ernstfall die Bevölkerung evakuiert werden", so Hendricks.

Obwohl Linke und FDP vieles trennt, Niemann wie Klapdor sprachen sich für die Legalisierung von Cannabis aus. Sie sehen den Vorteil in der Entkriminalisierung. „Labile Menschen beschaffen sich diese oder andere Drogen ohnehin", so Niemann und erinnerte an die Folgen legalen Alkohol- und Zigarettenkonsums. Dealer hätten anders als eine „kontrollierte Abgabe mit definierten Rahmenbedingungen" (Jöbkes) Interesse an einer ständigen oder sich steigernden Abhängigkeit. Hendricks und Rouenhoff warnten vor der Legalisierung, weil Cannabis eben doch als Einstiegsdroge wirken könne.

Stimmungsbild davor und danach
Zum Schluss wurde das Ergebnis einer nicht repräsentativen Wahl vor und nach der Diskussion unter den Zuschauerinnen und Zuschauern bekanntgegeben. Aus beiden Wahlen ging Barbara Hendricks als Siegerin mit 44 und 41 Prozent der Stimmen hervor. Rouenhoff musste ein paar Prozentpunkte seiner eingangs 32 Prozent abgeben. Gewinne fuhren dafür die verbliebenen drei Kandidaten ein: Klapdor erreichte am Schluss 5 Prozent, Jöbkes kletterte auf 16 Prozentpunkte, Niemann fuhr für Die Linke 12 Prozente ein, 3 Prozent blieben nach dem Abend unentschieden.

Am Donnerstag, 21. September, trifft das Podium erneut aufeinander. Dann im Kolpinghaus Kleve ab 19:30 Uhr mit anderen Themenschwerpunkten.

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